Lieber Corona lesen, als sich damit zu infizieren
Reginas STAY (NOT ONLY) AT HOME Blog
Mein Freund, der Philosoph macht es vor – allerdings hat er in seiner großen Bibliothek auch CORONA vorrätig!
Sie ist sooooo viel größer als meine. Unerhört.
Aber entsprechend mehr Bücher müssen auch entstaubt werden:
Beim Frühjahrsputz und Entstauben meiner Bücherregale bin ich auf viel Schönes gestoßen – auf Werke, die ich bisher noch nicht gelesen habe oder Literatur, die ich wiederlesen könnte.
Ich bin zum Glück für längere Zeit nicht abhängig von Berlins öffentlichen Bibliotheken oder gut sortierten Buchläden, freue mich aber schon jetzt darauf, so bald wie möglich wieder dorthin zu gehen und den Lieblingsbuchhandlungen meiner Wahl mit späteren Käufen wieder auf die Beine zu helfen. Also, liebe Leser*innen, jetzt nicht alles bei den Online-Riesen bestellen, sondern warten, bis die vielen netten, kleinen Geschäfte wieder öffnen dürfen und dann dort einkaufen oder vorher Gutscheine bei ihnen erwerben.
So können wir Existenzen sichern und werden zudem große Freude beim lange entbehrten persönlichen Austausch haben!
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Kaffeehaus ist überall
Diesen bekannten Spruch meines Wiener Lieblingscafés Hawelka habe ich wörtlich genommen und in der Zwischenzeit m“ein Zimmer für sich allein“ (Virginia Woolf) der häuslichen Quarantäne wegen so umgestaltet, dass ich am Schreibtisch arbeiten, Klavierspielen oder Musik hören, mich auf dem Sofa räkeln, meine Bibliothek studieren,„Kunst aufräumen“ oder mich körperlich betätigen, am wichtigsten aber: mir meine eigene Kaffeehaus-Atmosphäre zaubern kann. Vieles ist möglich auf 20 Quadratmetern!
Sogar Street Art kann ich bewundern – und wer „besitzt“ schon einen Banksy? 😉
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Die Ruhe der Anderen
Natürlich möchte ich sie ihnen nicht nehmen oder gar stören, aber da ich keinen Balkon, Garten und keine Terrasse habe, nicht Rad fahre und aus aktuellem Anlass öffentliche Verkehrsmittel meide, ist mein Bewegungsradius ziemlich eingeschränkt.
Zum Glück gibt es in Berlin viele historische Friedhöfe wie die beiden Friedhöfe in der Friedrichshainer Friedenstraße, mit parkähnlichem, oft bemerkenswertem Baumbestand und vielfältiger Grabarchitektur, so dass es sich lohnt, darin spazieren zu gehen. Auch wenn mir Friedhöfe in Zeiten von Corona etwas besser besucht als sonst scheinen, verströmen sie immer noch mehr Ruhe als öffentliche Parks. Zudem wird man in ihnen kaum von Joggern oder Radfahrern geschnitten…
Im Idealfall findet man eine lauschige Bank, auf der man eine Zeitlang in der Sonne sitzen, die Seele baumeln lassen, über den Unterschied zwischen Epitaph und Epigramm nachsinnen oder interessante, kuriose, liebevolle Grabinschriften lesen oder zu entziffern versuchen kann.
Um nicht Verwandten von Verstorbenen zu nahe zu treten, zitiere ich die Grabinschrift eines Bekannten: Gottfried Moritzen war Bibliothekar und ein Buch- und Kunstliebhaber par excellence. Seine Privatbibliothek hat die des Philosophen in Größe und Vielfalt noch übertroffen. Ich erinnere mich, dass er, als er noch an der Bochumer Universitätsbibliothek gearbeitet hatte, jeden Tag zwei volle Einkaufstüten mit Büchern nach Hause genommen hat und darin ein bekannter Anblick für viele Studenten und Professoren dieser Uni war, vielen sogar als etwas verschroben galt.
Seine Nichte, die ihn zuletzt begleitet hatte, hat mir seinen Nachruf geschickt und ich konnte sofort erkennen, dass er ihn noch selbst verfasst hatte:
„Moritzen ist tot.“
Mit einem lachenden und einem weinenden Augen ehre ich sein Andenken, indem ich, meist im Zusammenhang mit bestimmten Büchern, an ihn denke und hier nun sein „literarisches Vermächtnis“ zitiere, das seinen Grabstein ziert.
Nach längerer Zeit bin ich also wieder bei der schönen Literatur, der Belletristik, gelandet und mir fällt wegen dieses prägnanten Nachrufs eine andere Anekdote ein.
Einer meiner Deutschlehrer auf dem Gymnasium hat mal gesagt, dass der Schriftsteller Arno Schmidt bereits für den Titel seiner Erzählung „Kühe in Halbtrauer“ den Literatur-Nobelpreis hätte bekommen müssen…
Genug getrauert, immerhin nicht im Zusammenhang mit Covid 19!
Beim Anschauen der kunstvollen Gräber und Bauten könnte man meinen, sich gar nicht auf einer Ruhestätte zu befinden, sondern an bedeutenden Kulturstätten oder Sehnsuchtsorten wie den Pyramiden im Alten Ägypten, dem Forum Romanum in Rom oder in einem elisabethanischen Garten in England.
Diese Vorstellung tut gut, denn dorthin reisen zu können, wird dauern…
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Eine Flaneurin in Friedrichshain
In der zweiten Quarantäne-Woche zu Hause, so Mitte, Ende März, bin ich bei einem Spaziergang bei meinem Stamm-Blumenladen unweit meiner Wohnung vorbeigeschlendert, in der Hoffnung, noch ein paar Frischblumen für zu Hause kaufen zu können. Die Besitzerin hatte aber als eine der ersten die Forderung der Berliner Politik umgesetzt, alle Läden, die nicht zur Grundversorgung gehören, nicht mehr zu öffnen und also ihren Blumenladen geschlossen und ein Schild in die Tür gehängt. Ich finde Frischblumen existentiell – aber das ist ein anderes Thema…
Gerührt und amüsiert gleichermaßen hat mich, wie sie die Schließung ihres Lädchens beschrieben und sich selbst als BLUMENMÄDCHEN bezeichnet hat. Ich habe ihr Schild mit meinem Handy fotografiert und über den Inhalt lange geschmunzelt, obwohl ich keine Blumen mehr kaufen konnte.
Ihr reizend formulierter Aushang hat mich zudem auf die Idee gebracht, mein Augenmerk von nun an im uns auferlegten Shutdown auf weitere interessante Beispiele dieser Art zu richten und meine Lieblingsauswahl findet ihr hier:
Vor allem fand ich die Aushänge, Schilder, Pamphlete inspirierend und lehrreich und denke:
Auch wenn der Radius unserer Aktivitäten und Wege zurzeit sehr viel kleiner geworden ist, lohnt es sich, beim Gehen die Augen offen zu halten, um Schönes, Witziges, Berührendes auf diesen kurzen, erlaubten Spaziergängen zu entdecken. Vielleicht werdet ihr Nachbarn, Händler, Kiosk- oder Restaurantbetreiber mit ganz anderen Augen betrachten und ihnen, sobald es wieder erlaubt und möglich ist, irgendwann in nächster Zeit für ihren Zuspruch und ihre Kreativität danken, indem ihr genau bei ihnen wieder Blumen oder anderes kauft oder ihnen auch nur mit geschärftem, freundlichem Blick zulächelt:
Jetzt ist genau die Zeit, konzentriert auf Details „um den Block“ zu gehen oder auf einer Parkbank zu verweilen und dem Gras und den Blumen beim frühlingshaften Sprießen zuzusehen. In diesem Sinne viel Freude dabei und viele lohnenswerte Motive und Inspirationen auf euren Wegen!
Die großen Flaneure und Spaziergänger auch der Berliner Literatur wie Franz Hessel, Siegfried Kracauer oder Alfred Kerr haben beim Flanieren – also dem Schlendern und Schauen – im Kleinen das große Ganze erkannt und wunderbar darüber geschrieben.